Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. (DOG) und der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) haben eine umfassende Stellungnahme zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Augenheilkunde veröffentlicht. Ziel ist es, Standards für die Entwicklung, Zulassung und Implementierung von KI-Anwendungen festzulegen, um die medizinische Versorgung zu optimieren und gleichzeitig Patientenrechte zu wahren.

Chancen und Herausforderungen von KI in der Augenheilkunde
KI-Systeme können insbesondere bei der Analyse großer Bilddatenmengen unterstützen, wie sie in der Diagnostik von Netzhauterkrankungen oder bei der Verlaufskontrolle von Glaukomen anfallen. „Damit dies gelingt, ist die Qualität und Vielfalt der Trainingsdaten entscheidend“, erklärt Professor Dr. med. Bernd Bertram, Ehrenvorsitzender des BVA. Nur hochqualitative, repräsentative Bilddaten ermöglichen es KI-Algorithmen, zuverlässige und reproduzierbare Ergebnisse zu liefern.
KI unterstützt, ersetzt aber nicht die ärztliche Expertise
DOG und BVA betonen, dass die Verantwortung für Diagnosen und Therapien stets bei den Ärztinnen und Ärzten bleibt. „KI kann Muster erkennen und Analysen liefern, doch die medizinische Entscheidung muss stets im Kontext des individuellen Patientenfalls erfolgen“, sagt Professor Dr. med. Nikolaos Bechrakis. Die Stellungnahme unterstreicht daher die unverzichtbare Rolle der ärztlichen Erfahrung und betont, dass KI als Assistenz- und nicht als Entscheidungsinstrument betrachtet werden sollte.
Risiken und ethische Herausforderungen
Trotz ihrer Vorteile sind KI-Systeme nicht fehlerfrei. Verzerrungen in den Trainingsdaten können dazu führen, dass bestimmte Patientengruppen benachteiligt werden oder seltene Erkrankungen nicht erkannt werden. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, definieren DOG und BVA zentrale ethische Prinzipien:
- Gerechtigkeit: KI-Systeme dürfen keine Gruppen diskriminieren; Trainingsdaten müssen divers und repräsentativ sein.
- Transparenz: Die Funktionsweise und Datenbasis von KI-Anwendungen müssen nachvollziehbar sein.
- Erklärbarkeit: KI-Entscheidungen, insbesondere Therapieempfehlungen, müssen verständlich und begründbar sein.
- Datenschutz: Patientendaten sind sicher zu verarbeiten; anonyme Datensätze sind zu bevorzugen.
- Ärztliche Autonomie: KI darf den Arzt oder die Ärztin nicht ersetzen, sondern lediglich unterstützen.
Patientenautonomie und Haftungsfragen
Ein weiterer zentraler Aspekt der Stellungnahme ist die Patientenautonomie. „Patienten müssen darüber informiert werden, wenn KI-Systeme in ihrer Behandlung eingesetzt werden“, erklärt Professor Dr. med. Claus Cursiefen, Generalsekretär der DOG. Die Entscheidung darüber, ob KI zum Einsatz kommt, muss stets gemeinsam mit dem behandelnden Arzt getroffen werden.
Zudem fordern DOG und BVA klare gesetzliche Regelungen für die Zulassung und Implementierung von KI-Systemen. Neben technischer Robustheit und geringer Fehleranfälligkeit sind eindeutige Haftungsklärungen erforderlich. „KI muss sowohl für Patienten als auch für Ärzte Vorteile bringen“, betont Daniel Pleger, 1. Vorsitzender des BVA. Die Finanzierung durch Krankenkassen sei dabei ein essenzieller Faktor.
KI als Lösung gegen Fachkräftemangel
Die Stellungnahme unterstreicht, dass KI die Augenheilkunde nachhaltig verändern wird. Neben einer effizienteren Diagnostik könnte sie auch den Fachkräftemangel abfedern. „Mit klaren ethischen Leitlinien kann dieser Wandel positiv gestaltet werden“, so Cursiefen. Eine durch KI ermöglichte Zeitersparnis könnte beispielsweise dazu genutzt werden, um intensivere Arzt-Patienten-Gespräche zu führen.
DOG und BVA setzen sich somit dafür ein, dass KI verantwortungsvoll und zum Wohle der Patienten eingesetzt wird – als wertvolle Assistenz, die die ärztliche Expertise unterstützt, aber niemals ersetzt. Die gesamte Stellungnahme finden Sie hier.